Parlamentarismus

Parlamentarismus

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Par|la|men|ta|rịs|mus 〈m.; -; unz.〉 demokrat. Regierungsform, in der das Parlament an der Regierung teilhat

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Par|la|men|ta|rịs|mus, der; -:
demokratische Regierungsform, in der die Regierung dem Parlament verantwortlich ist.

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Parlamentarịsmus,
 
der, -, im weiteren Sinn Bezeichnung für alle Regierungs-Formen, in denen das Parlament als gewählte Repräsentation des Volkes (oder der Nation; »Nationalrepräsentation«) eine zentrale Rolle spielt, d. h. Gesetzgebungs- und Budgethoheit besitzt und im Hinblick auf die Kontrolle der Regierung das Interpellations- und Enqueterecht (Anfrage, Enquete) wahrnimmt. In dieser Sicht umfasst der Begriff Parlamentarismus auch das Präsidialsystem.
 
Im engeren Sinn bezeichnet Parlamentarismus das parlamentarische Regierungssystem, in dem das Parlament über die vorgenannten Hoheitsrechte hinaus die Zuständigkeit besitzt, mit Mehrheit den Regierungschef (Premierminister, Ministerpräsident, Bundeskanzler) zu wählen und dessen Kabinett zu bestätigen. Im Gegensatz zum Präsidialsystem ist die Regierung vom Vertrauen des Parlaments abhängig. Spricht das Parlament der Regierung das Misstrauen aus (Misstrauensvotum), muss sie zurücktreten, bei einem konstruktiven Misstrauensvotum jedoch nur dann, wenn das Parlament mit Mehrheit zugleich einen neuen Regierungschef wählt. Die Regierung kann eine Gesetzesvorlage mit der Vertrauensfrage verbinden. Erhält sie bei der Verabschiedung dieses Gesetzes keine Mehrheit, so muss sie zurücktreten oder durch Vorschlag an das Staatsoberhaupt Neuwahlen ausschreiben lassen. In vielen parlamentarischen Systemen besitzt das Parlament auch das Recht einer Ministeranklage und kann ein Regierungsmitglied zugleich Abgeordneter im Parlament sein.
 
Die im Zusammenhang mit der Entstehung des modernen Parteiwesens stehende Aufgliederung der Parlamente in Fraktionen stellt das Prinzip der Gewaltenteilung, besonders zwischen Exekutive und Legislative, durch die enge Verschränkung von Parlamentsmehrheit und Regierung infrage, da die Fraktion(en) der Regierungspartei(en) nicht nur die Regierung stellt (stellen), sondern auch deren Politik parlamentarisch absichert (absichern). Da die Parlamentsminderheit nicht mit der Regierung verschränkt ist, kommt ihr als Opposition im parlamentarischen Regierungssystem eine »systemtragende« Rolle zu (Schattenkabinett); sie ist die personelle und sachlich-politische Alternative zur Regierung und hat im Wesentlichen anstelle des Gesamtparlaments die Funktion der Kontrolle der Regierung übernommen.
 
Die Wurzeln des Parlamentarismus reichen in England zurück bis in die Zeit der Verkündung der Magna Charta (1215). In der Neuzeit entwickelte er sich in engem historischem Zusammenhang mit der Überwindung feudaler Gesellschafts- und absolutistischen Herrschaftsformen durch das Bürgertum. Im Zeichen von Aufklärung (18. Jahrhundert) und Liberalismus (19. Jahrhundert) setzte sich allmählich das für den Parlamentarismus bezeichnende Prinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung durch. In Deutschland setzte diese Entwicklung erst mit der Verkündung der Weimarer Reichsverfassung (1919) ein.
 
Die politische Führungsrolle des Parlaments erscheint heute angesichts des Informationsvorsprungs der Exekutive und ihrer Bürokratie gefährdet. Die Entwicklung des modernen Sozial-, Rechts- und Verwaltungsstaats erfordert eine ständige und ins Detail gehende Gesetzgebungsarbeit, die den einzelnen Abgeordneten überfordert und nur durch Arbeitsteilung innerhalb der Fraktionen bewältigt werden kann.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Demokratie · Föderalismus · Opposition · Parlament · Parlamentarisches Kontrollgremium · Parlamentsausschüsse · Partei · Partizipation · Pluralismus · Verfassung
 
 
K. von Beyme: Die parlamentar. Reg.-Systeme in Europa (21973);
 
Hamburger Bibliogr. zum parlamentar. System der Bundesrepublik Dtl. 1945-70, hg. v. U. Bermbach, Haupt-Bd. u. Ergänzungs-Lfg. (1973 ff.);
 
Gesellschaft, Parlament u. Reg. Zur Gesch. des P. in Dtl., hg. v. G. A. Ritter (1974);
 K. Kluxen: Gesch. u. Problematik des P. (1983);
 
An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, hg. v. B. Guggenberger u. a. (1984);
 E. Schütt-Wetschky: Grundtypen parlamentar. Demokratie (1984);
 W. Mössle: Reg.-Funktionen des Parlaments (1986);
 J. Burnheim: Über Demokratie. Alternativen zum P. (a. d. Engl., 1987);
 
The crisis of representative democracy, hg. v. H. Köchler (Frankfurt am Main 1987);
 
Politik u. Repräsentation. Beitrr. zur Theorie u. zum Wandel polit. u. sozialer Institutionen, hg. v. W. Luthardt u. a. (1988);
 E. Fraenkel: Dtl. u. die westl. Demokratien (Neuausg. 1991);
 K. Waechter: Geminderte demokrat. Legitimation staatl. Institutionen im parlamentar. Reg.-System (1994);
 W. Zeh: P. Histor. Wurzeln - moderne Entfaltung (61997).

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Par|la|men|ta|rịs|mus, der; -: demokratische Regierungsform, in der die Regierung dem Parlament verantwortlich ist.

Universal-Lexikon. 2012.

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